Wenn ein Kollege, eine Kollegin häufig explodiert

Wenn ein Kollege, eine Kollegin häufig explodiert
Konfliktklärung im Beruf durch Gewaltfreie Kommunikation

Die unangenehme Situation:
Die Kollegin Schmidt ruft Sie im Brass an und lässt ab:
„Müssen Sie denn das Zeug immer so versteckt lagern! Und was hier wieder alles rumsteht! Man kommt ja wirklich an nichts ran! Jetzt hab ich mir auch noch den Kopf gestoßen! Sie könnten hier wirklich mal für Ordnung sorgen“
Sie als Chefin waren ziemlich perplex, völlig in Unkenntnis, was überhaupt los ist, können nichts sagen.
Leider rastet diese Kollegin öfter in ähnlicher Form aus. Auf der anderen Seite ist diese Kollegin sehr fleißig und engagiert. Da Sie in einem Dienstleistungsbetrieb arbeiten, wo die Kunden ins Haus kommen, befürchten Sie, dass diese Ausraster auch den Kunden nicht verborgen bleiben. Und es belastet die Beziehung zwischen Ihnen und dieser Kollegin, denn für sie selbst ist es schwierig mit jemanden umzugehen, der so tobt.
Sie merken, wie Sie der Kollegin auszuweichen beginnen.

Was jetzt tun?
Annehmen, was ist und erst mal in Ruhe klären,
was Sie als Chefin wirklich wollen und wie die Situation ist.


Folgendes wird sichtbar:

Bei diesen Ausrastern gerate ich als Chefin innerlich in Panik,
kann weder zuhören und benehme mich wie ein kleines Kind,
will nur noch aus der Situation weg.
Frühere Klärungsversuche haben gezeigt, dass diese Kollegin
bei Klärungen einfach so lange redet, bis Sie als Chefin in Grund und Boden
geredet sind, nach einer langen Rede das Gespräch als „Jetzt ist ja alles geklärt.“ bendet und geht.
Für Sie als Chefin ist gar nichts geklärt. Sie sind nicht mal zu Wort gekommen und
unter dem Wortschwall der Kollegin haben Sie sogar ein Blackout, können keinen klaren Gedanken fassen und tragen diese Situationen lange innerlich herum.

Innere und von außen kommende Urteile und Tipps so nach dem Motto:
„Na als Chefin bist du aber die Respektsperson. Das darfst du dir auf keinen Fall gefallen lassen“, helfen wirklich nicht weiter, sie verstärken eher die innere Not.

Nicht einfach. Wie mit dieser Situation umgehen?
Was hier sichtbar wird, ist eine alte Verletzung aus der Kindheit,
die Sie bei großer Lautstärke und starkem Redeschwall einer anderen Person
sofort in dieses alte Muster zurückbeamt.
Das können Sie momentan nicht ändern.
Da wir uns hier im beruflichen Kontext bewegen, ist es unnötig, dieses alte Muster aufzulösen.
Es reicht damit umgehen zu lernen.
Nehmen Sie das, was ist, an und nutzen Sie es für das weitere Vorgehen:
„Ich kann wenn jemand sehr laut, erregt, schnell und viel redet, nicht zuhören.“ –
Und das müssen Sie auch nicht. Wozu auch?
Diese im Brass gesagten Worte und Sätze haben sowieso wenig Wahrheitsgehalt.
Also Sie brauchen nicht zuhören und tun es nicht.

Da Sie sich aber eine Klärung wünschen und die Kollegin als Mitarbeiterin behalten wollen,
ist es schon notwendig, mit dieser Kollegin ein Gespräch im ruhigen Rahmen zu führen
und Dinge zu klären.

Die versteckten Motive erforschen und ein Klärungsgespräch vorbereiten
Wie kommen Sie dahin?

Zunächst schauen Sie erst einmal, welche Bedürfnisse Ihnen selbst wichtig sind:

  • sachliche Atmosphäre bei Besprechungen, sodass auch Probleme geklärt und Lösungen vereinbart werden können
  • Balance zwischen Reden und Zuhören: selbst zu Wort kommen, also ein wirkliches Gespräch führen, wo man sich aufeinander bezieht und wo jeder sein Anliegen vortragen kann
  • Achtung und Anerkennung, respektvoller Umgang unter Kollegen, auch ihnen als Chefin gegenüber.
    Was bedeutet das für Sie genau?
    Na am liebsten: sachliche und ruhige Gesprächsführung und mit den eigenen Anliegen ernst genommen werden: also auch zu überprüfen, wie Ihre eigenen Anliegen beim anderen angekommen sind
  • Kundenzufriedenheit, Kundenbindung: keine solchen Ausbrüche vor Kunden
  • Selbstachtung: Das bedeutet hier: Ich bleibe bei mir, bei den Dingen, die mir wichtig sind und ich achte, dass ich mit aufgebrachten Leuten nicht reden kann.
    Wer ist für die Erfüllung der eigenen Bedürfnisse verantwortlich? Ich selbst. Die anderen kann ich nur um Mithilfe bitten.

Bevor Sie das Gespräch mit der Kollegin führen, kann es hilfreich sein,
sich mal in die Kollegin einzufühlen.

Achtung: Alles, was Sie bei der gedachten Einfühlung entdecken,
sind Vermutungen über die andere Person.
Wenn man sich echt einfühlen kann, kommen die Vermutungen der Wahrheit oft sehr nahe.

Es wird folgendes sichtbar:

  • Die Kollegin Schmidt hatte vergessen, eine Lieferung für eine Kundin in eine andere Filiale mitzugeben. Plötzlich stand diese Kundin im Laden und Frau Schmidt muss jetzt mitten im Hochdruck diese Lieferung suchen – und findet sie schwer und stößt sich den Kopf.
  • Die Kollegin Schmidt steht ziemlich unter Druck, weiß kaum, wie sie alles schaffen soll.
  • Sie gerät dann in Ärger, dem sie Luft verschafft. Sie sucht dafür einen Schuldigen und nimmt die Person,
    wo sie glaubt, dass es für sie keine negativen Konsequenzen hat, wenn sie ihren Ärger ablässt.
  • Sie sucht also zunächst Entlastung vom inneren Druck.
  • Die gesuchte Ware war nicht versteckt, lag nur weit unten in der richtigen Truhe. Es war nicht unordentlich.

Bevor Sie mit der Kollegin ins Gespräch gehen, ist nun noch zu klären,
wie Sie mit diesem alten Kindheitsmuster umgehen.

1. Sie hören nicht zu, wenn jemand seinem Brass ablässt, denn das können Sie nicht.
2. Stattdessen bleiben Sie einfach ruhig stehen oder sitzen – in einem ihnen angenehmen Abstand.
3. Sie spannen in Gedanken einen Regenschirm auf und lassen den Wutausbruch des anderen an Ihrem Schirm abprallen.
4. Wenn sich die Energie der Wut verbraucht hat, schauen Sie den anderen an und sagen ihm, dass Sie Worten, die in solchem Ärger gesprochen werden, nicht zuhören können, dass Sie dann einfach warten, bis der Ärger vorbei ist und dass Sie an einer guten Lösung für alle Seiten interessiert sind und nun das Gespräch in Ruhe führen wollen.
5. Es ist von Vorteil, wenn Sie auch fragen, ob die andere Person jetzt dazu in der Lage ist. Falls nicht, dann vereinbaren Sie lieber einen neuen Termin, denn was können Sie schon klären, wenn jetzt die andere Person nicht in der Lage ist.
6. Vielleicht vereinbaren Sie feste Redeminuten für beide Seiten, wo jeder darlegen kann, worum es ihm wirklich geht.
7. Nehmen Sie für sich selbst einen Zettel mit, wo ihre Bedürfnisse und Bitten draufstehen, sodass Sie Ihre eigenen Angelegenheiten nicht vergessen.

Wie kann so ein Gespräch nun laufen? – ein Beispiel:

Die Gesprächseröffnung:

Liebe Frau Schmidt, ich hatte Ihnen ja schon angekündigt, dass es in diesem Gespräch um die Situation geht, wo Sie mir am Telefon in sehr lautem Ton folgendes gesagt haben: „Müssen Sie denn das Zeug immer so versteckt lagern! Und was hier wieder alles rumsteht! Man kommt ja wirklich an nichts ran! Jetzt hab ich mir auch noch den Kopf gestoßen! Sie könnten hier wirklich mal für Ordnung sorgen“
Da ich Sie in mehreren solcher aufgebrachten Situationen erlebt habe, möchte ich das mit Ihnen in Ruhe besprechen und schauen, dass wir für solche Situationen Lösungen finden, die sowohl für Sie als auch für mich machbar sind, also Lösungen, die wir beide für angenehm und wirklich passend halten.

Einiges zu den Gesprächsinhalten

Man kann Ärger auch mit folgenden Worten begegnen: „Sie sind ganz schön ärgerlich! Offenbar läuft gerade was, was Ihnen gar nicht gefällt. —–

Und nach einer Pause, in der sich der andere meist beruhigt, können Sie anbieten:
„Ärger ist meist ein Weckruf. Er will uns zeigen, dass etwas für uns selbst nicht mehr stimmt, nur wissen wir in der Regel nicht, was das ist, was nicht stimmt. Sind Sie bereit mal zu erforschen, was das ist, dass für Sie nicht mehr stimmt? Kann es sein, dass Sie gerade überlastet sind und eine Erleichterung oder Entlastung brauchen?“

Jetzt kommen die wichtigen Themen der anderen Person zur Sprache.
Nachdem diese besprochen wurden, und eine passende Lösung gefunden wurde –
sind die Themen dran, die Ihnen als Chefin wichtig sind.

Es geht also darum, wie diese Kollegin mit ihrem Ärger so umgehen kann, dass weder die Zusammenarbeit beeinträchtigt wird und dass solche Explosionen, wenn sie sich nicht vermeiden lassen, nicht vor Kunden stattfinden.

So eine Vereinbarung könnte z.B. so aussehen:

  • Wenn Frau Schmidt in großen Ärger gerät, kann sie in den abgelegenen Büroraum gehen und alles laut herausschreien, bis sie sich wieder beruhigt hat.
  • Danach darf sie Unterstützung erbitten, um ihre unerfüllten Bedürfnisse kennen zu lernen, die zu der Frustration und dem Ärger geführt haben.
  • In Klärungsgesprächen gibt es vereinbarte Redeminuten für die Teilnehmer und jeder wiederholt, was er vom anderen gehört hat, bevor er seine Sicht darstellt.
  • Bei Wutausbrüchen hören die anderen nicht zu und nehmen Frau Schmidt diesen Ausbruch auch nicht übel.
  • Was Frau Schmidt wirklich sagen will, sagt sie danach in Ruhe.Gudrun Höntsch
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